Bensheim | 4. November 2025 Es ist kurz nach 8 Uhr am Donnerstag, als der Autokran hinter dem Bensheimer Rathaus in Position fährt. Vor dem historischen Gebäude herrscht geschäftiges Treiben: Feuerwehrleute und Stadtpolizei sichern den Bereich, Handwerker bereiten ihre Geräte vor. In luftiger Höhe wird wenig später von Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn und Gerätewart Ronny Grundmann ein schwergewichtiges Stück Technik abgebaut – die alte Motorsirene, seit Jahrzehnten auf dem Dach des Rathauses montiert, wird behutsam entsorgt. Sie macht Platz für eine modernere Variante: Eine neue elektronische Sirene, leistungsstärker, digital vernetzt und fit für die Zukunft. Um die Mittagszeit schweben schließlich die silbern glänzenden Hörner an einem langen Mast hoch hinaus an ihren neuen Standort.
Mit dieser Maßnahme hat die Stadt Bensheim den ersten Bauabschnitt ihres Sirenenkonzepts gestartet. Insgesamt zehn Anlagen werden in den kommenden Wochen ausgetauscht oder neu errichtet. Ziel ist es, das Warnsystem im gesamten Stadtgebiet auf den neuesten Stand zu bringen – für eine schnelle, flächendeckende Alarmierung der Bevölkerung im Katastrophenfall.
„Der Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger hat für mich oberste Priorität“, betont Bürgermeisterin Christine Klein. „Ein gut organisierter Katastrophenschutz ist unerlässlich, um im Ernstfall schnell und koordiniert reagieren zu können. Durch vorausschauende Planungen in den vergangenen Jahren sind wir bereits sehr gut aufgestellt – doch wir arbeiten weiter intensiv daran, die notwendigen Strukturen zu stärken und die Bevölkerung für mögliche Krisensituationen zu sensibilisieren.“
Die neuen elektronischen Sirenen ersetzen die alten Motorsirenen, die mit einem Ventilator liefen. Die zeitgemäße Version bietet viele Vorteile: Sie erreicht eine bis zu einem Drittel größere Reichweite, kann dank Akku selbst bei einem Stromausfall noch für einige Zeit betrieben werden. Zudem können sämtliche bundesweit gültigen Warnsignale abgerufen werden.
Parallel dazu werden die Sirenensteuergeräte auf den Digitalfunkstandard Tetra umgerüstet. Dieses Vorhaben ist notwendig, da das Land Hessen die analogen Frequenzen künftig abschalten wird. „Ohne die Umstellung droht irgendwann Funkstille“, erklärt Sophie Franke, Sachbearbeiterin im Team Allgemeine Sicherheit und Ordnung, die das Sirenen-Projekt seitens der Stadt koordiniert und für das Thema Bevölkerungsschutz zuständig ist. „Mit der digitalen Technik sind wir zukunftssicher aufgestellt – und die Leitstelle Bergstraße kann die Sirenen wie bisher auch direkt ansteuern.“ Eine manuelle Alarmierung wird damit in der Regel überflüssig.
Wichtig zu wissen: Auch in der aktuellen Übergangsphase bleibt die Feuerwehr voll handlungsfähig. Die meisten der bestehenden analogen Sirenen sind weiterhin betriebsbereit und können im Ernstfall ausgelöst werden. Damit ist gewährleistet, dass die Bevölkerung wie bisher zuverlässig gewarnt wird. Das zeigte sich zuletzt beim bundesweiten Warntag im September. Die meisten Sirenen in Bensheim hatten ordnungsgemäß und wie erwartet ausgelöst.
Für die Umrüstung und den Neubau der Anlagen stehen im Bensheimer Haushalt 560.000 Euro zur Verfügung. Die Mittel wurden nach einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung bereits 2023 eingestellt und seither jährlich übertragen. Darüber hinaus beantragte die Verwaltung Fördermittel beim Land Hessen.
Dass die Umsetzung erst jetzt startet, liegt an der hohen Auslastung spezialisierter Fachfirmen. „Wir haben die Planungen frühzeitig abgeschlossen, mussten aber warten, bis die beauftragten Unternehmen Kapazitäten frei hatten“, so Franke.
Im Vergleich zu vielen anderen Kommunen steht Bensheim beim Thema Warninfrastruktur gut da. Während andernorts in den 1990er- und 2000er-Jahren viele Sirenen abgebaut wurden, blieben in Bensheim alle 27 Anlagen erhalten. Schon 2021 wurden im Bedarfs- und Entwicklungsplan der Feuerwehr konkrete Überlegungen zu einer umfassenden Modernisierung angestellt.
„Wir beschäftigen uns nicht erst seit der Flutkatastrophe im Ahrtal oder dem Krieg in der Ukraine mit der kritischen Infrastruktur“, verdeutlicht Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn. „In Bensheim wurde früh erkannt, wie wichtig ein funktionierendes Warnsystem ist. Dass wir heute so gut aufgestellt sind, ist das Ergebnis dieser Weitsicht.“
Neben der neuen Sirene auf dem Dach des Rathauses wurde bereits eine Anlage auf dem Gebäude der Alten Schule in Hochstädten installiert. Zwei neue Mastsirenen wird es bei der Feuerwehr Langwaden und beim THW in der Lahnstraße geben. Ebenfalls unter anderem auf der Liste: Der Umbau einer Mastsirene in Zell und bei der Feuerwehr Wilmshausen sowie von zwei Dachsirenen bei der Feuerwehr Schwanheim und der Feuerwehr Hochstädten. Hinzu kommt eine neue Anlage auf dem Dach der Feuerwehr Fehlheim. Schritt für Schritt sollen nun alle geplanten Standorte modernisiert werden. Ein weiterer Bauabschnitt ist aktuell für das zweite Quartal 2026 vorgesehen. Die Zeiten der alten Pilzköpfe auf Dächern und Masten gehen damit sukzessive zu Ende.
„Mit den neuen Anlagen setzen wir ein deutliches Signal – für Sicherheit und für Verantwortung gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern“, erklärt Bürgermeisterin Klein.


