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Hilfe, die mit nach Hause geht

Bensheim | 19. November 2025 Es ist kurz vor Ausgabezeit bei der Tafel in Bensheim. Drinnen stapeln Ehrenamtliche Kisten mit Brot, Obst und Konserven. Zwischen all den Lebensmitteln liegt eine etwas andere Lieferung bereit: mehrere Kartons voller Brötchentüten, bedruckt in zehn Sprachen – mit einer klaren Botschaft, die hier genauso präsent ist wie die Menschen, die Woche für Woche Hilfe suchen. „Nein zu Gewalt an Frauen und Mädchen.“

Eine Tüte, die mehr ist als Verpackung: ein Signal, ein Hilfsangebot und ein Stück Sichtbarkeit für ein Thema, das viel zu häufig im Verborgenen bleibt.

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25. November organisiert seit vielen Jahren der Arbeitskreis gegen Häusliche Gewalt im Kreis Bergstraße gemeinsam mit dem Verein Frauenhaus Bergstraße sowie den kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten die kreisweite Brötchentütenaktion „Gewalt kommt mir nicht in die Tüte“.

 Kundinnen und Kunden erhalten in teilnehmenden Bäckereien und in den Tafeln ihre Backwaren in speziell bedruckten Tüten. Sie tragen die Botschaft gegen Gewalt sowie die Kontaktdaten zentraler Hilfsorganisationen und Beratungsstellen – übersetzt in verschiedene Sprachen. Besonders hervorgehoben ist das bundesweite Hilfetelefon 116 016, das rund um die Uhr, anonym, kostenfrei und in 18 Sprachen erreichbar ist. Für Kinder und Jugendliche steht die „Nummer gegen Kummer“ (116 111) zur Verfügung.

Die Idee, auch die Tafeln im Kreisgebiet einzubeziehen, stammt vom Soroptimist-Club Bensheim/Heppenheim, der 2022 erstmals die Initiative angestoßen hat. Die Tafel erreicht wöchentlich viele Menschen, darunter etliche Familien, und bietet damit einen wichtigen Berührungspunkt für niedrigschwellige Information und Aufklärung. Bei einem Treffen im Gebäude der Tafel an der Rheinstraße mit Marion Vatter vom Frauenbüro der Stadt und Martina Evertz, Vorsitzende des Vereins Frauenhaus Bergstraße, tauschten sich die Akteurinnen nicht nur aus. Die Präsidentin des SI-Clubs Petra Wahler und Schatzmeisterin Birgit Kissel überreichten der Tafel-Vorsitzenden Mariette Rettig außerdem eine Spende über 1000 Euro.

Zurzeit versorgt die Tafel mit ihren 245 Mitarbeitenden 1400 Haushalte und etwa 4500 Personen sowie 1970 Kinder. Jede Woche kommen zehn Neuanmeldungen hinzu. Viele Alleinerziehende, Rentner und vor allem Rentnerinnen sind auf die Lebensmittelausgabe angewiesen. Ein Aufnahmestopp gibt es im Gegensatz zu anderen Einrichtungen dieser Art nicht. Die Tafel ist für viele Menschen mittlerweile ohnehin mehr als nur eine Anlaufstelle, um für einen Euro Grundnahrungsmittel zu erhalten. Sie hat sich zu einem sozialen Treffpunkt entwickelt. „Einsamkeit ist schlimmer als Hunger“, verdeutlicht Mariette Rettig.

Anfang 2006 nahm die Tafel in Bensheim den Betrieb auf, seitdem ist sie ein fester Knotenpunkt im sozialen Netz der Stadt und der Region. Doch wenn die Vorsitzende einen Wunsch frei hätte, würde dieser unmissverständlich ausfallen: „Dann möchte ich die Tafel morgen schließen können, weil sie nicht mehr gebraucht wird.“ Und somit alle von ihrem Einkommen oder ihrer Rente leben könnten.

In Bensheim ist die Brötchentütenaktion fester Bestandteil des Engagements gegen häusliche Gewalt. Die diesjährige Verkaufsaktion fand am 8. November mit Bürgermeisterin Christine Klein in der Bäckerei Görtz in Auerbach sowie in der Bäckerei Jakob statt. Neu in diesem Jahr: Die Aktion wurde auf weiterführende Schulen im Kreis ausgeweitet. 18 Schulen beteiligen sich an der Präventionskampagne, darunter in Bensheim das Goethe-Gymnasium, die Liebfrauenschule, die Schillerschule und die Heinrich-Metzendorf-Schule. Die dafür benötigten Tüten wurden von Tyco Electronics gespendet.

Die Zahlen zur häuslichen Gewalt bleiben erschreckend: Im Jahr 2024 wurden bundesweit 265.942 Betroffene polizeilich erfasst – ein neuer Höchststand. Rund 73 Prozent der Opfer sind Frauen. Besonders häufig handelt es sich um Partnerschaftsgewalt: Etwa 171.100 Fälle wurden in diesem Bereich erfasst – ein erneuter Anstieg gegenüber dem Vorjahr. In rund drei von vier Fällen sind die Täter männlich. Die Dunkelziffer gilt als deutlich höher. „Die größte Gefahr droht im eigenen Haus“, bringt es Martina Evertz auf den Punkt. Diese Entwicklungen verdeutlichen, wie wichtig es ist, Prävention, Hilfsangebote und öffentliche Aufmerksamkeit kontinuierlich zu stärken.

Beim Treffen in der Tafel betonen die Akteurinnen, wie wichtig es ist, das Thema sichtbar zu machen und Betroffenen Mut zu geben, Hilfe in Anspruch zu nehmen: „Häusliche Gewalt findet in allen gesellschaftlichen Schichten statt – und sie ist keine Privatsache. Jede Tüte, die in diesen Tagen über die Ladentheke oder die Ausgabestelle der Tafeln geht, bringt die Botschaft dorthin, wo sie gebraucht wird.“

Die Soroptimistinnen bringen die Botschaft darüber hinaus in diesem Jahr noch mitten in die Stadt. Im ehemaligen Goldschmiede-Atelier an der Mittelbrücke entsteht eine Raum- und Videoinstallation, die über Formen häuslicher und digitaler Gewalt informiert und zeigt, wie Betroffene Hilfe finden können. Erfahrene Expertinnen und Experten bieten vor Ort Informationen zu Prävention, Erkennung und Unterstützungsmöglichkeiten an der Bergstraße. Die Installation ist vom 25. November bis 10. Dezember zu sehen und Teil der internationalen Orange Days. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht erforderlich.

Ein weiteres Zeichen setzt die Stadt Bensheim am 25. November 2025, um 11 Uhr, wenn am Rathaus traditionell wieder die Fahnen „Orange the World“ und „Hilfetelefon gegen Gewalt an Frauen“ gehisst werden. Mit dieser symbolischen Aktion ruft die Stadt dazu auf, Gewalt an Frauen und Mädchen entschieden entgegenzutreten.

Am Abend des Aktionstages wird um 19 Uhr im Luxor-Filmpalast in Bensheim die Dokumentation „Googoosh – Made of Fire“ gezeigt, die das bewegte Leben der iranischen Sängerin und Schauspielerin Googoosh porträtiert. Der Film erzählt die Geschichte einer Frau, die trotz Auftrittsverbot, Gefängnis und Hausarrest zur Symbolfigur des weiblichen Widerstands wurde und weltweit Hoffnung und Mut spendet. Der Film ist eine Voiceover-Fassung. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erwünscht.

Weitere Informationen beim Frauenbüro der Stadt Bensheim, Telefon 06251 856003 oder per E-Mail an frauenbuero@bensheim.de

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